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Herrnburg

Wo heute das Einkaufszentrum steht, befand sich während der Teilung der Grenzbahnhof Herrnburg. Die Eisenbahnverbindung zwischen Bad Kleinen und Lübeck bestand seit 1870.  Herrnburg ist die letzte mecklenburgische Station vor der Hansestadt Lübeck. Als die Alliierten 1945 Deutschland in Besatzungszonen aufteilten, erstreckte sich zwischen Herrnburg und Lübeck die Demarkationslinie zwischen der sowjetischen und der britischen Besatzungszone, die später dann zur innerdeutschen Grenze wurde.

Zunächst war der innerdeutsche Bahnverkehr zwischen den Besatzungszonen gänzlich unterbrochen. Eines der beiden  Gleise forderten die Sowjets als Reparation für die entstandenen Kriegsschäden. Ab 1947 fuhren dann wieder Eisenbahnzüge über die Demarkationslinie. Im gleichen Jahr verlegten die Alliierten den Straßenübergang Selmsdorf – Lübeck nach Herrnburg.  Von da an war Herrnburg der nördlichste Kontrollpunkt zwischen der sowjetischen und der britischen Besatzungszonen für den Eisenbahn- und Straßenverkehr. Die Berlin-Blockade der Sowjet 1948/1949 schränkte auch den grenzüberschreitenden Verkehr in Herrnburg sehr stark ein. Erst nach und nach stiegen die Zahlen der dort  abgefertigten Personen wieder. 1950 passierten 122.539 Menschen aus der DDR kommend die Grenzübergänge in Herrnburg. 131.943 reisten in die andere Richtung.

1952 schloss die DDR dann die beiden Grenzübergänge  in Herrnburg und öffnete den Grenzübergang an der B 5 zwischen Horst und Lauenburg. Acht Jahre lang endeten fortan die Regionalzüge von Bad Kleinen kommend in Herrnburg. Das Gleis Richtung Westen wurde unterbrochen.  Erst als die schwedische Staatsbahn Interesse an einer schnelleren Zugverbindung nach Mitteleuropa signalisierte, öffnete die DDR-Regierung, auch wegen der erwarteten Deviseneinnahmen,  die Bahnverbindung wieder. Am 20. März 1960 startete der erste ‚Saßnitz – Express‘ im Lübecker Hauptbahnhof Richtung DDR. Der Eisenbahngrenzübergang war von da an wieder eröffnet. Parallel dazu wurde zwischen Selmsdorf und Lübeck-Schlutup auch wieder ein Straßenübergang über die innerdeutsche Grenze  eingerichtet.

Um den wachsenden Personen- und Güterverkehr abwickeln zu können, wurden die Bahngleise innerhalb des Bahnhofs erweitert, und zur Verhinderung von Fluchten ein ausgeklügeltes Sicherungssystem errichtet.  Nach 1961 waren für die Außensicherung des Grenzbahnhofs die DDR-Grenztruppen zuständig. Die Kontrollen in den Zügen übernahmen Angehörige der ‚Passkontrolleinheit (PKE)‘.  Des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi). Sie trugen die Uniformen der Grenztruppen.  Außerdem waren Angehörige des Zolls, der DDR-Staatsbank und anderer staatlicher Einrichtungen am Grenzbahnhof tätig.

Kontrollen und Sicherheitszonen trennten den regionalen vom grenzüberschreitenden Verkehr. Wer als Besucher nach Herrnburg wollte, benötigte einen speziellen ‚Passierschein‘. Einheimische haben einen Stempel, der sie als solche ausweist, in ihrem Pass. Damit kein DDR-Bürger unerlaubt den Grenzübergang passierte, wucherten Sperr- und Sicherungsanlagen, Beobachtungsturm in Richtung Grenzlinie., Maschendrahtzäune , Scheinwerfer, Beschaubrücken, Gleisbettsperren, Schutzweich etc.

1969 reisten über den Grenzübergang Herrnburg insgesamt 127.161 Personen vom Westen in die DDR und 124.872 in die andere Richtung. Unvorstellbar ist, dass damals 14.403 Güterwagen aus Richtung Lübeck über Herrnburg in die DDR fuhren. Umgekehrt waren es 254.337.

Die Grenzöffnung am 9. November 1989 führte zu total überfüllten Zügen. Mit dem 1. Juli 1990 endeten dann auch die Grenzkontrollen.

Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten verlor die Bahnstrecke über Herrnburg gänzlich an Bedeutung für den innerdeutschen Bahnverkehr. Heute ist der Bahnhof Herrnburg lediglich ein kleiner Haltepunkt auf der Strecke zwischen Lübeck und Bad Kleinen. Ab 2006 wurde Herrnburg mit einer Buslinie von und nach Lübeck verbunden. Die Haltestelle befindet sich auf dem ehemaligen Bahnhofsgelände am neu eröffneten Herrnburger Einkaufszentrum.

Text: Dr. Andreas Wagner

Literaturhinweis: Reiner Volkmar ‚Zeitreise zum Bahnhof Herrnburg‘ in ‚Mitteilungen des Heimatbundes Fürstentum Ratzeburg von 1901 e.V.‘ Bd. 22, 2012, Heft 2, S. 11-15; Manfred Krellenberg,  ‚An der innerdeutschen Grenze zwischen Lübeck und Herrnburg‘ , Stockelsdorf 2016